Hexenforum hinterm Schwarzdorn
Redewendungen Teil I
"Auf großem Fuße leben" Die Redensart hat ihren Ursprung im 12. Jahrhundert. Ein Graf von Anjou hatte sich nämlich Schuhe mit besonders langer Spitze machen lassen, weil er an einem Fuß eine Geschwulst hatte und normales Schuhwerk nicht tragen konnte. Weil er im Rufe stand, ein Vorbild für Eleganz zu sein, eiferten ihm seine Zeitgenossen nach und ließen sich ebenfalls lange Schuhe machen. Erst nach 1500 wurde diese Mode unter Kaiser Karl V. abgeschafft. Dass zu einigen Ritterrüstungen lange spitze Schuhe gehören, hat seinen Grund darin, dass man mit einem spitzen Schuh den Steigbügel besser treffen konnte. "Es zu bunt treiben" Dem mittelalterlichen Menschen war es untersagt, etwas anderes als graue, braune oder blaue Kleidung zu tragen. Dazu muss man wissen, dass das mittelhochdeutsche Wort "bunt" abgeleitet wird von dem in der Klosterkultur gebräuchlichen Begriff "punctus", womit schwarze Stickerei auf weißem Grund gemeint war. "Buntes" war also ursprünglich nur schwarz-weiß im Gegensatz zu einfarbig. So wurde gestreifter oder gefleckter Pelz "Buntwerk" genannt, also zum Beispiel das nur von Fürsten getragene Futter aus Hermelinfellen. Man sagte "kunterbunt", wenn man mehrere Farben gleichzeitig meinte, und erst im 14. Jahrhundert änderte sich die Bedeutung des Wortes "bunt" zu "vielfarbig". Im Jahr 1337 sprach sich die Kölner Synode gegen gescheckte, übertrieben bunte Kleidung aus. Wenn man es also zu bunt trieb, verhielt man sich nicht standesgemäß. "Hieb- und stichfest" Magische Sprüche sollten den Mann für den Kampf unverwundbar machen. Man nannte diesen Brauch "Festmachen". Die Zwillingsformel Hieb-und stichfest gehörte zu diesem Zauber. "Es brennt auf den Nägeln" Das Mönchsleben war streng reglementiert. Der Tagesablauf wurde durch acht Andachten, die Horen, gegliedert. Eine davon, die Vigil, findet um 2 Uhr nachts statt, mit Gebeten, Psalmen und Wechselgesängen. In den mittelalterlichen Klöstern war die Beleuchtung sparsam. Um die Texte der Psalmen lesen zu können, klebten sich die Mönche mit Wachs kleine Kerzen auf die Fingernägel. Eine Vigil konnte bis zu drei Stunden dauern. Dann war die Kerze meist heruntergebrannt. "Es brennt auf den Nägeln" beschreibt anschaulich die dringende Notwendigkeit, sich nun aber zu beeilen! "Das geht auf keine Kuhhaut" Als frühester Beleg für diese alte Redewendung haben wir die "Sermones vulgares" von Jaques de Vitry aus dem frühen 13. Jahrhundert. Zu dieser Zeit war es noch üblich, auf Tierhaut zu schreiben. Denn bevor das Papier im 13. Jahrhundert seinen Siegeszug antrat, wurde auf Pergament geschrieben, meist von Schafen oder Kälbern. Die Menschen im Mittelalter glaubten, dass während ihres Lebens der Teufel ihre Sünden aufschreibe, um sie ihnen beim Jüngsten Gericht vorzuhalten. Da konnte bei einem richtigen Sünder schon allerhand zusammenkommen. Die Ankündigung, dass selbst die Haut des größten zur Verfügung stehenden Tieres, also die Kuh, nicht ausreichen könnte, um alle Sünden eines Menschen niederzuschreiben, kann als ultimative Drohung mit der ewigen Verdammnis aufgefasst werden. "Immer die alte Leier" Die mittelalterliche Musik klingt in unseren Ohren eher fremd, denn sie ist durch die Bordun-Charakteristik bestimmt. Bordune sind feststehende Töne, die eine monotone Begleitung spielen, eine frühe Art der Mehrstimmigkeit. Das bekannteste Bordun-Instrument ist der Dudelsack, der auch im Mittelalter sehr verbreitet war. Es gab aber auch Saiten- Instrumente, die bordun spielten, vor allem die Drehleier. Sie war ein verbreitetes Musikinstrument bis in die Barockzeit, überlebte in der Folklore und erlebte im Rahmen der Mittelalter-Welle eine Wiederentdeckung. Die Leier zeichnet sich, jedenfalls in ihrer einfachen Form, nicht durch übergroße Flexibilität aus und hat einen leicht klagenden Ton. Deshalb entstand die Metapher für "immer das Gleiche". "Den Brotkorb höher hängen" Die Möglichkeiten der Konservierung von Lebensmitteln waren im Mittelalter begrenzt. Räuchern, Pökeln und Trocknen war üblich, ansonsten musste immer frisch zubereitet werden. Haltbare Nahrungsmittel wie Räucherfisch und Dörrfleisch, aber auch in Körben gelagerte Backwaren wurden in der Küche an der Decke aufgehängt, um sie vor Ratten und Mäusen zu schützen. In Hungerperioden musste der Brotkorb, der normalerweise handlich in Griffhöhe angebracht war, höher gehängt werden, um den Zugriff außerhalb der reglementierten Essensausgabe mit ihren knappen Rationen zu unterbinden. Die Tatsache, dass Brot eines der wichtigsten, für sehr viele Menschen sogar das einzige Nahrungsmittel war, lässt ahnen, dass es sehr schlechte Zeiten waren, in denen der Brotkorb höher gehängt werden musste. "Mundtot machen" Diese Redewendung hat überraschenderweise mit dem Mund gar nichts zu tun. Das Wort "Mund" stammt vom mittelhochdeutschen "munt". Das ist ein Begriff der Rechtssprache, der so viel wie "Schutz" oder "Gewalt" bedeutete. In unserem Wort "Vormund" ist dieses "munt" auch noch enthalten: "Entmündigen". "Maulaffen feilhalten" Den Unterschied zwischen dem Leben im Mittelalter und dem unseren heute kann man sich verdeutlichen, wenn man bedenkt, was damals an heute selbstverständlichen Dingen nicht vorhanden war. Zum Beispiel war damals der Tag nach Sonnenuntergang schnell zu Ende, denn es gab außer Tranfunzeln nur Kienspäne, die etwas Licht spendeten. Für diese harzreichen Holzscheite gab es tönerne Kienspanhalter, in Form eines menschlichen Kopfes gestaltet, mit dem offenen Mund als Öffnung für den Kienspan. Der Grund war, dass man den Span, wenn man gerade keine Hand frei hatte, kurzfristig durchaus auch zwischen die Zähne nahm. Deshalb wurden diese Halter "Maulaffen" genannt. Die Redewendung nimmt Bezug auf das dumme Gesicht mit offenem Mund, das aussieht wie ein Kienspanhalter, eben ein zum Verkauf angebotener Maulaff. "Etwas ausmerzen" Dieser Ausdruck betraf die unangenehme Seite des Schäferberufs. Im Frühling wurden die neuen Lämmer geboren, und da die Schafherden ständig unterwegs waren, war das Schicksal neugeborener Schäfchen, die zu schwach waren, ausgesondert, heißt, geschlachtet zu werden. Auch die Nichteignung zur Wollgewinnung oder Weiterzucht konnte ein Grund sein, vom Schäfer getötet zu werden. Da dies meist im Monat März geschah, bildete sich daraus der Ausdruck "ausmerzen". "Etwas ausbaden" In früheren Zeiten, als es noch nicht so einfach war, einen ganzen Zuber Wasser zu erhitzen, war es selbstverständlich, dass sich die Mitglieder einer Familie das Badewasser teilten, indem sie nacheinander das einmal gefüllte Badefass nutzten. Dies galt auch über die direkten Familienangehörigen hinaus, denn früher gehörte auch das Gesinde zum Haushalt. Je nach Rangordnung kam man in den "Genuss" des immer schmutziger und kälter werdenden Badewassers. Der Letzte musste schließlich das Wasser entsorgen und Fass und Kammer reinigen. Auf diese unangenehme Arbeit bezieht sich die Redewendung, die so zu verstehen ist, dass man für etwas verantwortlich gemacht wird, das jemand anderes verschuldet hat. "Ihn sticht der Hafer" Fütterte man Pferde zu sehr mit Hafer, waren sie schwer zu bändigen. Dieser Übermut wurde in der Redensart auf den Menschen übertragen. "Schief gewickelt sein" Dieses Wickeln geht auf den mittelalterlichen Umgang mit Kleinkindern zurück und hat nur indirekt mit unsachgemäßer Verpackung zu tun. Auch heute sagt man ja noch, dass ein Baby gewickelt wird. Man meint aber damit lediglich, dass es eine frische Windel bekommt. Im Mittelalter aber war mit dem Wickeln tatsächlich das Einwickeln des ganzen Körpers mit Ausnahme des Kopfes gemeint, weshalb man bei Säuglingen noch heute von Wickelkindern spricht. Unter modernen Gesichtspunkten der Babypflege ist die historische Art der Ruhigstellung natürlich abzulehnen, weil das Kind stundenlang keinen Finger bewegen konnte. Wie dem auch sei, die Ammen beherrschten damals jedenfalls die Kunst, Kleinkinder richtig zu wickeln, um spätere Haltungsschäden zu vermeiden. Wenn nämlich ein Kind schief gewickelt wurde, konnte das sehr schmerzhaft und folgenreich sein. "In die Schuhe schieben" In den Herbergen der wandernden Handwerksgesellen ging es recht rustikal zu. Fremdes Eigentum, vor allem Taler, wechselten manches Mal auf unehrliche Weise ihre Besitzer. Der Verdacht eines Diebstahls konnte dazu führen, dass es im Schlafsaal zu einer Untersuchung durch die Obrigkeit kam, inclusive Leibesvisitation. Dann musste das corpus delicti schnellstens verschwinden. Der Schuh des Bett-Nachbarn bot sich an. "Etwas durch die Blume sagen" Früher kam es häufig vor, dass ein Freier um eine Jungfrau anhielt, die ihn noch nicht kannte. Wenn sie ihn ablehnte, sich aber scheute, dies auszusprechen, konnte sie dem Bewerber beispielsweise einen Strauß bestimmter Blumen überreichen. Da früher viele Blumen wie Vergissmeinnicht oder Männertreu eine symbolische Bedeutung hatten, konnte sie ihm ihre Entscheidung "durch die Blume" mitteilen, ein Nein zum Beispiel durch Kornblumen. Wenn sie sich traute, konnte sie es ihm allerdings auch "unverblümt" ins Gesicht sagen. Eine andere Art der höflichen Abfuhr war das "Abspeisen". Dabei erhielt der Freier eine bestimmte Mahlzeit vorgesetzt, je nachdem, ob die Antwort positiv oder negativ war. Zum Beispiel reichte man bei einem Ja Wurst und Schinken, bei einem Nein Käse - alles Käse! "Den Löffel abgeben" Im Mittelalter war es völlig normal, mit den Fingern zu essen. Die für uns heute selbstverständliche Gabel war verpönt, weil der Teufel eine Gabel benutzte. Jahrhundertelang war neben dem Messer, mit dem Fleisch und Brot geschnitten wurden, das einzige Esswerkzeug der Löffel, den man für Suppe und Brei benötigte. In der mittelalterlichen Hausgemeinschaft erhielt jeder einen eigenen Holzlöffel, den er nach jeder Mahlzeit abwischte und auf das Löffelbrett steckte. Den eigenen Löffel behielt man meist bis zum Lebensende. Dadurch wurde der Löffel nicht nur ein Symbol für das Essen, sondern auch für Leben allgemein. Wer den Löffel abgegeben hatte, war gestorben und brauchte ihn nicht mehr. Weil damals nichts weggeworfen wurde, hat man den Löffel des Verstorbenen selbstverständlich an einen Jüngeren weitergegeben. "Hand und Fuß haben" Ein Ritter war nach damaligem Verständnis nur kriegstüchtig, wenn er noch die rechte Hand und den linken Fuß besaß. Mit der rechten Hand führte er das Schwert, und der Fuß, mit dem er in den Steigbügel trat, um aufs Pferd zu gelangen, war der linke. Es war eine äußerst schwere, aber oft verhängte Strafe, eines der beiden oder gar beides abgeschlagen zu bekommen. Linkshänder taten übrigens gut daran, dies zu verschweigen, denn Minderheiten waren im Mittelalter suspekt und konnten leicht auf dem Scheiterhaufen landen. "Nicht lange fackeln" Mit der im Mittelalter als handliche Lichtquelle weit verbreiteten Fackel hat dieser Ausdruck wenig zu tun. Das Ursprungswort ist "fickfacken", das, man ahnt es schon, "hin- und herbewegen" bedeutete, und zwar in einem abwertenden Sinn. Heute steckt es noch in einem Wort für Geschlechtsverkehr, auch in der englischen Sprache. Nicht lange fackeln heißt also, keine unnötige, überflüssige Bewegung machen. Merkwürdigerweise wird sie immer verneinend gebraucht. Nie hört man jemanden sagen: Nun fackle mal! "Die Kirche im Dorf lassen" Das stammt aus der Zeit, als die katholische Kirche Prozessionen durch das Dorf machte. Da manche Dörfer aber sehr klein waren, ging man einfach um den Ort herum, und ließ "die Kirche im Dorf." "Pech gehabt!" Viele Burgführer zeigen über dem Burgtor eine "Pechnase" und weisen darauf hin, dass daher der Ausdruck "Pech gehabt" stamme. Man glaubte, dass die Verteidiger einer Burg heißes Pech auf die Angreifer geschüttet hätten. Diese Vorstellung entspricht allerdings nicht den Tatsachen, denn die Burgenforschung hat mittlerweile nachgewiesen, dass zum Flüssigmachen von Pech Temperaturen nötig gewesen wären, die in einem Torhaus nicht hätten erzeugt werden können. Der fälschlicherweise "Pechnase" genannte Erker war also eine Verteidigungs-Vorrichtung, aus der man Steine warf oder Pfeile schoss. Redewendungen, in denen der Begriff "Pech" vorkommt, haben deshalb nichts mit Burgen zu tun. Ein Pechvogel war zum Beispiel ein Singvogel, den man auf einer mit klebrigem Pech bestrichenen Rute fing, um ihn anschließend zu verspeisen - Pech gehabt! Und wenn heute jemand auf etwas erpicht ist, dann ist er darauf fixiert, wie mit Pech daran festgeklebt. "Sich schinden" Der neben dem Henker am wenigsten geachtete Beruf des Mittelalters war der des Schinders. Seine Arbeit war, krankem oder verletztem Vieh das Fell abzuziehen und das Fleisch, "Schindluder" genannt, zu verarbeiten. Vor allem trug zu seinem schlechten Image bei, dass er dem Henker bei rohen Hinrichtungsarten helfen musste, besonders beim Häuten. Das war, neben dem Rädern und Vierteilen, eine der grausamsten Strafen, weil das Schinden, also das Hautabziehen, mit unerträglichen Schmerzen verbunden war. Aus "jemanden schinden" als transitiver Form des Verbs entwickelte sich das intransitive "sich schinden". Es wird heute gebraucht, wenn man sich bei einer körperlich extrem anstrengenden Arbeit quälen muss. Die Wendung "Schindluder treiben" bezieht sich auf die verächtliche Einstellung gegenüber minderwertigem Fleisch, das der Schinder, heute sagt man Abdecker, produzierte. "Kein Blatt vor den Mund nehmen" Das Theater ist eine uralte Kunst. Im Mittelalter wurden allerdings fast ausschließlich Passionsspiele und religiöse Themen auf die Bühne gebracht. Später, vor allem in Zeiten des Absolutismus, konnte es für Schauspieler gefährlich werden, gewisse kritische Texte vorzutragen. Da kam es dann gelegentlich vor, dass man sich durch vor das Gesicht gehaltene Blätter unkenntlich machte. Auch die Technik, in bestimmten Passagen die Stimme durch ein Blatt vor dem Mund zu dämpfen, bezieht sich auf diese Redewendung. Wenn man das Blatt, das auch ein Laubblatt gewesen sein kann, vom Mund wegnahm, war die Stimme deutlicher zu hören, was auch unangenehmen Wahrheiten Gehör verschaffte. "Von Tuten und Blasen keine Ahnung haben" Zwei Berufsstände im Mittelalter hatten zu tuten und zu blasen: Der Hirte, der einer der untersten Berufsgruppen angehörte, benutzte ein Horn, um das Weidevieh zu locken, und der Nachtwächter verwendete ebenfalls ein Blasinstrument für die regelmäßigen Signale vom Turm oder den Alarm bei Gefahren wie Feuer oder Bedrohung der Stadtbevölkerung von außen. Beide Tätigkeiten bedurften keiner besonderen Fähigkeiten, man musste nur die Augen offen halten und ein Horn blasen können. Wer nicht einmal zu diesen Aufgaben fähig war, musste besonders dumm sein. "Torschlusspanik haben" Im Mittelalter konnte man eine Stadt nur durch die Stadttore betreten. Um lichtscheues Gesindel aus der Stadt fernzuhalten, wurden diese Tore nachts geschlossen. Dann kam niemand mehr in die Stadt hinein oder heraus, es sei denn, er konnte sich glaubhaft ausweisen. Reisende, die ihr Ziel noch nicht erreicht hatten, machten sich natürlich Sorgen, dass sie die Nacht außerhalb der Mauern im Freien verbringen mussten, und dadurch mancherlei Gefahren ausgesetzt waren. Die Angst, dass die Tore der Jugend irgendwann geschlossen sein könnten und man keinen Partner mehr bekommt, ist wohl mit dieser Angst, nachts vor der Stadt allein zu bleiben, verglichen worden. "Über den grünen Klee loben" Klee war im Mittelalter der Inbegriff der Frische und des Gedeihens. Dichter der mittelhochdeutschen Sprache, zum Beispiel Walther von der Vogelweide, benutzten in ihren Liedern Klee als Symbol für Frühling, Liebe etc. Auch bei den heutigen, ach so rationalen Menschen löst ja ein Kleeblatt eine Assoziation mit Glück aus. Da Klee aber eigentlich eine recht alltägliche Pflanze ist, und auf fast jeder Wiese vorkommt, erschienen Menschen späterer Jahrhunderte diese Lobpreisungen der Minnesänger reichlich übertrieben. Daraufhin bedienten sie sich des Klee-Vergleichs, wenn sie sich über etwas lustig machen wollten. "Nach Jahr und Tag" Diese Redewendung hat ihren Ursprung in einer mittelalterlichen Rechtsvorschrift. Ursprünglich verwies die Formel auf einen Zeitraum von einem Jahr, sechs Wochen und drei Tagen. Diese ungewöhnliche Frist kam dadurch zustande, dass drei Zeitspannen addiert wurden. Das Landgericht, das unter anderem für Beglaubigungen zuständig war, tagte alle sechs Wochen. Seine Sitzungsperiode dauerte drei Tage. Die Einspruchszeit verjährte nach einem Jahr. Deshalb kam genau diese Frist zustande, kurz Jahr und Tag genannt. Dann war das Urteil nicht mehr anfechtbar, aber auch Erbe oder Kauf waren erst dann endgültig rechtskräftig. "Jemandem die Leviten lesen" In Lothringen scheint es in der Zeit um 760 im Kirchensprengel Metz recht locker zugegangen zu sein. Offenbar wurde dort die moralische Vorbildfunktion der Priester nicht sehr ernst genommen. Der Bischof von Metz jedenfalls sah sich gezwungen, seinen Geistlichen verschärfte Verhaltensregeln aufzuerlegen. Er verordnete gegen ihre verwilderten Sitten einen Kanon nach Art der Benediktinermönche. Tägliches gemeinsames Gebet und Gesang, Buß- und Andachtsübungen sowie Lesungen aus der Heiligen Schrift sollten der Disziplinierung dienen. Dazu gehörte vor allem das Kapitel 26 aus dem 3. Buch Moses, das auch "Levitikus" genannt wird, weil darin Vorschriften für die Priester der Israeliten, die so genannten Leviten, enthalten sind. Diese besonderen Regeln für das Leben im Priesteramt müssen wohl so häufig in Strafpredigten zitiert worden sein, dass das Leviten-Lesen sprichwörtlich wurde.
Hexenforum hinterm Schwarzdorn
Redewendungen Teil I
"Auf großem Fuße leben" Die Redensart hat ihren Ursprung im 12. Jahrhundert. Ein Graf von Anjou hatte sich nämlich Schuhe mit besonders langer Spitze machen lassen, weil er an einem Fuß eine Geschwulst hatte und normales Schuhwerk nicht tragen konnte. Weil er im Rufe stand, ein Vorbild für Eleganz zu sein, eiferten ihm seine Zeitgenossen nach und ließen sich ebenfalls lange Schuhe machen. Erst nach 1500 wurde diese Mode unter Kaiser Karl V. abgeschafft. Dass zu einigen Ritterrüstungen lange spitze Schuhe gehören, hat seinen Grund darin, dass man mit einem spitzen Schuh den Steigbügel besser treffen konnte. "Es zu bunt treiben" Dem mittelalterlichen Menschen war es untersagt, etwas anderes als graue, braune oder blaue Kleidung zu tragen. Dazu muss man wissen, dass das mittelhochdeutsche Wort "bunt" abgeleitet wird von dem in der Klosterkultur gebräuchlichen Begriff "punctus", womit schwarze Stickerei auf weißem Grund gemeint war. "Buntes" war also ursprünglich nur schwarz-weiß im Gegensatz zu einfarbig. So wurde gestreifter oder gefleckter Pelz "Buntwerk" genannt, also zum Beispiel das nur von Fürsten getragene Futter aus Hermelinfellen. Man sagte "kunterbunt", wenn man mehrere Farben gleichzeitig meinte, und erst im 14. Jahrhundert änderte sich die Bedeutung des Wortes "bunt" zu "vielfarbig". Im Jahr 1337 sprach sich die Kölner Synode gegen gescheckte, übertrieben bunte Kleidung aus. Wenn man es also zu bunt trieb, verhielt man sich nicht standesgemäß. "Hieb- und stichfest" Magische Sprüche sollten den Mann für den Kampf unverwundbar machen. Man nannte diesen Brauch "Festmachen". Die Zwillingsformel Hieb-und stichfest gehörte zu diesem Zauber. "Es brennt auf den Nägeln" Das Mönchsleben war streng reglementiert. Der Tagesablauf wurde durch acht Andachten, die Horen, gegliedert. Eine davon, die Vigil, findet um 2 Uhr nachts statt, mit Gebeten, Psalmen und Wechselgesängen. In den mittelalterlichen Klöstern war die Beleuchtung sparsam. Um die Texte der Psalmen lesen zu können, klebten sich die Mönche mit Wachs kleine Kerzen auf die Fingernägel. Eine Vigil konnte bis zu drei Stunden dauern. Dann war die Kerze meist heruntergebrannt. "Es brennt auf den Nägeln" beschreibt anschaulich die dringende Notwendigkeit, sich nun aber zu beeilen! "Das geht auf keine Kuhhaut" Als frühester Beleg für diese alte Redewendung haben wir die "Sermones vulgares" von Jaques de Vitry aus dem frühen 13. Jahrhundert. Zu dieser Zeit war es noch üblich, auf Tierhaut zu schreiben. Denn bevor das Papier im 13. Jahrhundert seinen Siegeszug antrat, wurde auf Pergament geschrieben, meist von Schafen oder Kälbern. Die Menschen im Mittelalter glaubten, dass während ihres Lebens der Teufel ihre Sünden aufschreibe, um sie ihnen beim Jüngsten Gericht vorzuhalten. Da konnte bei einem richtigen Sünder schon allerhand zusammenkommen. Die Ankündigung, dass selbst die Haut des größten zur Verfügung stehenden Tieres, also die Kuh, nicht ausreichen könnte, um alle Sünden eines Menschen niederzuschreiben, kann als ultimative Drohung mit der ewigen Verdammnis aufgefasst werden. "Immer die alte Leier" Die mittelalterliche Musik klingt in unseren Ohren eher fremd, denn sie ist durch die Bordun-Charakteristik bestimmt. Bordune sind feststehende Töne, die eine monotone Begleitung spielen, eine frühe Art der Mehrstimmigkeit. Das bekannteste Bordun- Instrument ist der Dudelsack, der auch im Mittelalter sehr verbreitet war. Es gab aber auch Saiten-Instrumente, die bordun spielten, vor allem die Drehleier. Sie war ein verbreitetes Musikinstrument bis in die Barockzeit, überlebte in der Folklore und erlebte im Rahmen der Mittelalter-Welle eine Wiederentdeckung. Die Leier zeichnet sich, jedenfalls in ihrer einfachen Form, nicht durch übergroße Flexibilität aus und hat einen leicht klagenden Ton. Deshalb entstand die Metapher für "immer das Gleiche". "Den Brotkorb höher hängen" Die Möglichkeiten der Konservierung von Lebensmitteln waren im Mittelalter begrenzt. Räuchern, Pökeln und Trocknen war üblich, ansonsten musste immer frisch zubereitet werden. Haltbare Nahrungsmittel wie Räucherfisch und Dörrfleisch, aber auch in Körben gelagerte Backwaren wurden in der Küche an der Decke aufgehängt, um sie vor Ratten und Mäusen zu schützen. In Hungerperioden musste der Brotkorb, der normalerweise handlich in Griffhöhe angebracht war, höher gehängt werden, um den Zugriff außerhalb der reglementierten Essensausgabe mit ihren knappen Rationen zu unterbinden. Die Tatsache, dass Brot eines der wichtigsten, für sehr viele Menschen sogar das einzige Nahrungsmittel war, lässt ahnen, dass es sehr schlechte Zeiten waren, in denen der Brotkorb höher gehängt werden musste. "Mundtot machen" Diese Redewendung hat überraschenderweise mit dem Mund gar nichts zu tun. Das Wort "Mund" stammt vom mittelhochdeutschen "munt". Das ist ein Begriff der Rechtssprache, der so viel wie "Schutz" oder "Gewalt" bedeutete. In unserem Wort "Vormund" ist dieses "munt" auch noch enthalten: "Entmündigen". "Maulaffen feilhalten" Den Unterschied zwischen dem Leben im Mittelalter und dem unseren heute kann man sich verdeutlichen, wenn man bedenkt, was damals an heute selbstverständlichen Dingen nicht vorhanden war. Zum Beispiel war damals der Tag nach Sonnenuntergang schnell zu Ende, denn es gab außer Tranfunzeln nur Kienspäne, die etwas Licht spendeten. Für diese harzreichen Holzscheite gab es tönerne Kienspanhalter, in Form eines menschlichen Kopfes gestaltet, mit dem offenen Mund als Öffnung für den Kienspan. Der Grund war, dass man den Span, wenn man gerade keine Hand frei hatte, kurzfristig durchaus auch zwischen die Zähne nahm. Deshalb wurden diese Halter "Maulaffen" genannt. Die Redewendung nimmt Bezug auf das dumme Gesicht mit offenem Mund, das aussieht wie ein Kienspanhalter, eben ein zum Verkauf angebotener Maulaff. "Etwas ausmerzen" Dieser Ausdruck betraf die unangenehme Seite des Schäferberufs. Im Frühling wurden die neuen Lämmer geboren, und da die Schafherden ständig unterwegs waren, war das Schicksal neugeborener Schäfchen, die zu schwach waren, ausgesondert, heißt, geschlachtet zu werden. Auch die Nichteignung zur Wollgewinnung oder Weiterzucht konnte ein Grund sein, vom Schäfer getötet zu werden. Da dies meist im Monat März geschah, bildete sich daraus der Ausdruck "ausmerzen". "Etwas ausbaden" In früheren Zeiten, als es noch nicht so einfach war, einen ganzen Zuber Wasser zu erhitzen, war es selbstverständlich, dass sich die Mitglieder einer Familie das Badewasser teilten, indem sie nacheinander das einmal gefüllte Badefass nutzten. Dies galt auch über die direkten Familienangehörigen hinaus, denn früher gehörte auch das Gesinde zum Haushalt. Je nach Rangordnung kam man in den "Genuss" des immer schmutziger und kälter werdenden Badewassers. Der Letzte musste schließlich das Wasser entsorgen und Fass und Kammer reinigen. Auf diese unangenehme Arbeit bezieht sich die Redewendung, die so zu verstehen ist, dass man für etwas verantwortlich gemacht wird, das jemand anderes verschuldet hat. "Ihn sticht der Hafer" Fütterte man Pferde zu sehr mit Hafer, waren sie schwer zu bändigen. Dieser Übermut wurde in der Redensart auf den Menschen übertragen. "Schief gewickelt sein" Dieses Wickeln geht auf den mittelalterlichen Umgang mit Kleinkindern zurück und hat nur indirekt mit unsachgemäßer Verpackung zu tun. Auch heute sagt man ja noch, dass ein Baby gewickelt wird. Man meint aber damit lediglich, dass es eine frische Windel bekommt. Im Mittelalter aber war mit dem Wickeln tatsächlich das Einwickeln des ganzen Körpers mit Ausnahme des Kopfes gemeint, weshalb man bei Säuglingen noch heute von Wickelkindern spricht. Unter modernen Gesichtspunkten der Babypflege ist die historische Art der Ruhigstellung natürlich abzulehnen, weil das Kind stundenlang keinen Finger bewegen konnte. Wie dem auch sei, die Ammen beherrschten damals jedenfalls die Kunst, Kleinkinder richtig zu wickeln, um spätere Haltungsschäden zu vermeiden. Wenn nämlich ein Kind schief gewickelt wurde, konnte das sehr schmerzhaft und folgenreich sein. "In die Schuhe schieben" In den Herbergen der wandernden Handwerksgesellen ging es recht rustikal zu. Fremdes Eigentum, vor allem Taler, wechselten manches Mal auf unehrliche Weise ihre Besitzer. Der Verdacht eines Diebstahls konnte dazu führen, dass es im Schlafsaal zu einer Untersuchung durch die Obrigkeit kam, inclusive Leibesvisitation. Dann musste das corpus delicti schnellstens verschwinden. Der Schuh des Bett-Nachbarn bot sich an. "Etwas durch die Blume sagen" Früher kam es häufig vor, dass ein Freier um eine Jungfrau anhielt, die ihn noch nicht kannte. Wenn sie ihn ablehnte, sich aber scheute, dies auszusprechen, konnte sie dem Bewerber beispielsweise einen Strauß bestimmter Blumen überreichen. Da früher viele Blumen wie Vergissmeinnicht oder Männertreu eine symbolische Bedeutung hatten, konnte sie ihm ihre Entscheidung "durch die Blume" mitteilen, ein Nein zum Beispiel durch Kornblumen. Wenn sie sich traute, konnte sie es ihm allerdings auch "unverblümt" ins Gesicht sagen. Eine andere Art der höflichen Abfuhr war das "Abspeisen". Dabei erhielt der Freier eine bestimmte Mahlzeit vorgesetzt, je nachdem, ob die Antwort positiv oder negativ war. Zum Beispiel reichte man bei einem Ja Wurst und Schinken, bei einem Nein Käse - alles Käse! "Den Löffel abgeben" Im Mittelalter war es völlig normal, mit den Fingern zu essen. Die für uns heute selbstverständliche Gabel war verpönt, weil der Teufel eine Gabel benutzte. Jahrhundertelang war neben dem Messer, mit dem Fleisch und Brot geschnitten wurden, das einzige Esswerkzeug der Löffel, den man für Suppe und Brei benötigte. In der mittelalterlichen Hausgemeinschaft erhielt jeder einen eigenen Holzlöffel, den er nach jeder Mahlzeit abwischte und auf das Löffelbrett steckte. Den eigenen Löffel behielt man meist bis zum Lebensende. Dadurch wurde der Löffel nicht nur ein Symbol für das Essen, sondern auch für Leben allgemein. Wer den Löffel abgegeben hatte, war gestorben und brauchte ihn nicht mehr. Weil damals nichts weggeworfen wurde, hat man den Löffel des Verstorbenen selbstverständlich an einen Jüngeren weitergegeben. "Hand und Fuß haben" Ein Ritter war nach damaligem Verständnis nur kriegstüchtig, wenn er noch die rechte Hand und den linken Fuß besaß. Mit der rechten Hand führte er das Schwert, und der Fuß, mit dem er in den Steigbügel trat, um aufs Pferd zu gelangen, war der linke. Es war eine äußerst schwere, aber oft verhängte Strafe, eines der beiden oder gar beides abgeschlagen zu bekommen. Linkshänder taten übrigens gut daran, dies zu verschweigen, denn Minderheiten waren im Mittelalter suspekt und konnten leicht auf dem Scheiterhaufen landen. "Nicht lange fackeln" Mit der im Mittelalter als handliche Lichtquelle weit verbreiteten Fackel hat dieser Ausdruck wenig zu tun. Das Ursprungswort ist "fickfacken", das, man ahnt es schon, "hin- und herbewegen" bedeutete, und zwar in einem abwertenden Sinn. Heute steckt es noch in einem Wort für Geschlechtsverkehr, auch in der englischen Sprache. Nicht lange fackeln heißt also, keine unnötige, überflüssige Bewegung machen. Merkwürdigerweise wird sie immer verneinend gebraucht. Nie hört man jemanden sagen: Nun fackle mal! "Die Kirche im Dorf lassen" Das stammt aus der Zeit, als die katholische Kirche Prozessionen durch das Dorf machte. Da manche Dörfer aber sehr klein waren, ging man einfach um den Ort herum, und ließ "die Kirche im Dorf." "Pech gehabt!" Viele Burgführer zeigen über dem Burgtor eine "Pechnase" und weisen darauf hin, dass daher der Ausdruck "Pech gehabt" stamme. Man glaubte, dass die Verteidiger einer Burg heißes Pech auf die Angreifer geschüttet hätten. Diese Vorstellung entspricht allerdings nicht den Tatsachen, denn die Burgenforschung hat mittlerweile nachgewiesen, dass zum Flüssigmachen von Pech Temperaturen nötig gewesen wären, die in einem Torhaus nicht hätten erzeugt werden können. Der fälschlicherweise "Pechnase" genannte Erker war also eine Verteidigungs-Vorrichtung, aus der man Steine warf oder Pfeile schoss. Redewendungen, in denen der Begriff "Pech" vorkommt, haben deshalb nichts mit Burgen zu tun. Ein Pechvogel war zum Beispiel ein Singvogel, den man auf einer mit klebrigem Pech bestrichenen Rute fing, um ihn anschließend zu verspeisen - Pech gehabt! Und wenn heute jemand auf etwas erpicht ist, dann ist er darauf fixiert, wie mit Pech daran festgeklebt. "Sich schinden" Der neben dem Henker am wenigsten geachtete Beruf des Mittelalters war der des Schinders. Seine Arbeit war, krankem oder verletztem Vieh das Fell abzuziehen und das Fleisch, "Schindluder" genannt, zu verarbeiten. Vor allem trug zu seinem schlechten Image bei, dass er dem Henker bei rohen Hinrichtungsarten helfen musste, besonders beim Häuten. Das war, neben dem Rädern und Vierteilen, eine der grausamsten Strafen, weil das Schinden, also das Hautabziehen, mit unerträglichen Schmerzen verbunden war. Aus "jemanden schinden" als transitiver Form des Verbs entwickelte sich das intransitive "sich schinden". Es wird heute gebraucht, wenn man sich bei einer körperlich extrem anstrengenden Arbeit quälen muss. Die Wendung "Schindluder treiben" bezieht sich auf die verächtliche Einstellung gegenüber minderwertigem Fleisch, das der Schinder, heute sagt man Abdecker, produzierte. "Kein Blatt vor den Mund nehmen" Das Theater ist eine uralte Kunst. Im Mittelalter wurden allerdings fast ausschließlich Passionsspiele und religiöse Themen auf die Bühne gebracht. Später, vor allem in Zeiten des Absolutismus, konnte es für Schauspieler gefährlich werden, gewisse kritische Texte vorzutragen. Da kam es dann gelegentlich vor, dass man sich durch vor das Gesicht gehaltene Blätter unkenntlich machte. Auch die Technik, in bestimmten Passagen die Stimme durch ein Blatt vor dem Mund zu dämpfen, bezieht sich auf diese Redewendung. Wenn man das Blatt, das auch ein Laubblatt gewesen sein kann, vom Mund wegnahm, war die Stimme deutlicher zu hören, was auch unangenehmen Wahrheiten Gehör verschaffte. "Von Tuten und Blasen keine Ahnung haben" Zwei Berufsstände im Mittelalter hatten zu tuten und zu blasen: Der Hirte, der einer der untersten Berufsgruppen angehörte, benutzte ein Horn, um das Weidevieh zu locken, und der Nachtwächter verwendete ebenfalls ein Blasinstrument für die regelmäßigen Signale vom Turm oder den Alarm bei Gefahren wie Feuer oder Bedrohung der Stadtbevölkerung von außen. Beide Tätigkeiten bedurften keiner besonderen Fähigkeiten, man musste nur die Augen offen halten und ein Horn blasen können. Wer nicht einmal zu diesen Aufgaben fähig war, musste besonders dumm sein. "Torschlusspanik haben" Im Mittelalter konnte man eine Stadt nur durch die Stadttore betreten. Um lichtscheues Gesindel aus der Stadt fernzuhalten, wurden diese Tore nachts geschlossen. Dann kam niemand mehr in die Stadt hinein oder heraus, es sei denn, er konnte sich glaubhaft ausweisen. Reisende, die ihr Ziel noch nicht erreicht hatten, machten sich natürlich Sorgen, dass sie die Nacht außerhalb der Mauern im Freien verbringen mussten, und dadurch mancherlei Gefahren ausgesetzt waren. Die Angst, dass die Tore der Jugend irgendwann geschlossen sein könnten und man keinen Partner mehr bekommt, ist wohl mit dieser Angst, nachts vor der Stadt allein zu bleiben, verglichen worden. "Über den grünen Klee loben" Klee war im Mittelalter der Inbegriff der Frische und des Gedeihens. Dichter der mittelhochdeutschen Sprache, zum Beispiel Walther von der Vogelweide, benutzten in ihren Liedern Klee als Symbol für Frühling, Liebe etc. Auch bei den heutigen, ach so rationalen Menschen löst ja ein Kleeblatt eine Assoziation mit Glück aus. Da Klee aber eigentlich eine recht alltägliche Pflanze ist, und auf fast jeder Wiese vorkommt, erschienen Menschen späterer Jahrhunderte diese Lobpreisungen der Minnesänger reichlich übertrieben. Daraufhin bedienten sie sich des Klee-Vergleichs, wenn sie sich über etwas lustig machen wollten. "Nach Jahr und Tag" Diese Redewendung hat ihren Ursprung in einer mittelalterlichen Rechtsvorschrift. Ursprünglich verwies die Formel auf einen Zeitraum von einem Jahr, sechs Wochen und drei Tagen. Diese ungewöhnliche Frist kam dadurch zustande, dass drei Zeitspannen addiert wurden. Das Landgericht, das unter anderem für Beglaubigungen zuständig war, tagte alle sechs Wochen. Seine Sitzungsperiode dauerte drei Tage. Die Einspruchszeit verjährte nach einem Jahr. Deshalb kam genau diese Frist zustande, kurz Jahr und Tag genannt. Dann war das Urteil nicht mehr anfechtbar, aber auch Erbe oder Kauf waren erst dann endgültig rechtskräftig. "Jemandem die Leviten lesen" In Lothringen scheint es in der Zeit um 760 im Kirchensprengel Metz recht locker zugegangen zu sein. Offenbar wurde dort die moralische Vorbildfunktion der Priester nicht sehr ernst genommen. Der Bischof von Metz jedenfalls sah sich gezwungen, seinen Geistlichen verschärfte Verhaltensregeln aufzuerlegen. Er verordnete gegen ihre verwilderten Sitten einen Kanon nach Art der Benediktinermönche. Tägliches gemeinsames Gebet und Gesang, Buß- und Andachtsübungen sowie Lesungen aus der Heiligen Schrift sollten der Disziplinierung dienen. Dazu gehörte vor allem das Kapitel 26 aus dem 3. Buch Moses, das auch "Levitikus" genannt wird, weil darin Vorschriften für die Priester der Israeliten, die so genannten Leviten, enthalten sind. Diese besonderen Regeln für das Leben im Priesteramt müssen wohl so häufig in Strafpredigten zitiert worden sein, dass das Leviten-Lesen sprichwörtlich wurde.